Bettina Haas: "Kinder labern dir auch mal das Ohr voll - aber auf eine nette Art"

Für Kinder und Jugendliche ist es in der Corona-Pandemie besonders schwer. Sie trainieren in Gruppen, durften das seit vergangenem Frühling jedoch nur zeitweise. Wir haben mit Bettina Haas, Talentfördergruppen-Leiterin Neckar-Alb und Nachwuchstrainerin beim VfL Pfullingen, über selbst gedrehte Videos zur Auflockerung, Trainingspläne als Struktur für den Alltag und zufällige Treffen auf der Skilanglaufloipe gesprochen.

Bettina Haas
Bettina Haas
Ich habe auch das Gefühl, dass die Eltern derzeit viel gestresster sind als ihre Kinder
Bettina Haas

Bettina, was begeistert dich am Training mit Kindern und Jugendlichen?

Kinder sind viel offener als Erwachsene, die labern dir auch mal das Ohr voll. Aber auf eine nette Art und Weise. Sie überraschen mich immer wieder.

Vermisst du die Athlet*innen?

Ich vermisse sie schon. Pfullingen ist zum Glück nicht so groß (etwa 18.000 Einwohner, Anm. d. Red.). Da sieht man sich immer mal in der Stadt. Anfang Februar, als wir so viel Schnee hatten, habe ich auch viele Athlet*innen beim Skaten getroffen.

Können alle deine Athlet*innen Skaten?

Ich bringe es ihnen bei, es ist eine tolle Abwechslung für das Training im Winter. Sie bekommen von mir eine einstündige Einweisung, ich haben auch eine Ausbildung beim Deutschen Skiverband absolviert, dann klappt das in der Regel und die Ausrüstung können sie sich auch meist bei mir leihen.

Die Corona-Pandemie bedeutet leider auch, dass zeitweise keine Trainingsstunden stattfinden können. Hast du daher mehr Zeit für andere Dinge?

Ja. Ansonsten gebe ich eigentlich jeden Abend Training, jetzt habe ich abends weniger zu tun. Ich setze mich am Wochenende hin und schreibe drei Trainingspläne: einen für die Schüler*innen, einen für die Jugendlichen und einen für unsere zwei Landeskaderathleten. Die schicke ich ihnen dann und jeder absolviert seine Einheiten selbstständig.

Wie gut funktioniert das?

Ich fordere von den Athlet*innen eine wöchentliche Rückmeldung ein und von denen, die seit November eifrig weiter trainiert haben, bekomme ich diese auch. Zum Teil entschuldigen sich die Kinder auch, wenn sie nicht alle Einheiten absolviert haben. Ich schreibe dann zurück, dass das nicht schlimm ist.

Einmal die Woche suche ich den Athlet*innen auch ein Athletikvideo raus. Zum Teil nehme ich die Videos selbst auf. Da müssen dann meine Söhne ran und die Übungen vor machen. Das schicke ich dann so an die Athlet*innen mit ein paar Anweisungen.

Und deine Söhne machen da gerne den „Vorturner“?

(lacht) Klar. Mein älterer Sohn macht schon lange Triathlon, mein jüngerer Sohn ist eher so der Kraftsportler. Er darf dann Liegestütze, Sit-ups und andere Athletik-Übungen vor machen. Ich glaube, das kommt bei den jungen Leuten deutlich besser an, als wenn ich das mache. Meine Jungs (sie sind 23 und 20, Anm. d. Red.) sind ja näher dran an deren Alter. Ich finde die Videos jedenfalls sehr gut zur Auflockerung des Trainingsprogramms. Es soll ja auch Spaß machen.

Wie schwer ist es für den Nachwuchs, die Pläne umzusetzen und das Training alleine durchzuziehen?

Die meisten sind ja schon länger dabei, sie wissen zum Beispiel, was Intervalle sind. Ich gebe ihnen die Zeiten genau vor, ich weiß ja, was sie drauf haben. Und sie sagen mir auch, wenn die Zeiten zu schnell sind. Ein Athlet hat mir die Rückmeldung gegeben, dass er nach dem dritten von fünf 1000-Meter-Läufen nicht mehr konnte. Dann habe ich ihm zurückgeschrieben, dass wir das beim nächsten Mal anpassen. Ich finde es toll, wenn die Athlet*innen so ehrlich sind.

Wie nehmen es die Athlet*innen wahr, so lange alleine trainieren zu müssen?

Es ist für Athlet*innen natürlich nicht einfach, sich für Tempoläufe auf der Bahn zu motivieren, wenn sie nicht wissen, wann der nächste Wettkampf ansteht. Generell finde ich aber, dass sie diese Situation sehr gut meistern. In meinen Gruppen sind zwei, drei Sportler*innen dabei, bei denen merke ich, dass ihnen die Gruppe fehlt. Das tut mir natürlich weh. Aber ich kann ja schlecht sagen, trefft euch mit den anderen und trainiert zusammen. Da muss man irgendwie versuchen, sie bei Laune zu halten.

Ist die Situation deiner Meinung nach für Kinder noch schwerer als für Erwachsene?

Ich denke schon. Ich kann mich auch mal auf meine Rolle setzen, einen Film anschauen und 90 Minuten Rad fahren. Ich denke, dass es Kindern und Jugendlichen gut tut, wenn sie weiterhin Sport machen, nach Plänen trainieren – so wie meine Gruppe. Da hat man jeden Tag ein Ziel und ein Erfolg. Das hilft, um nicht in ein Loch zu fallen.

Ich habe auch das Gefühl, dass die Eltern derzeit viel gestresster sind als ihre Kinder. Da kann ich nur den Tipp geben: Macht immer mal wieder eine Einheit mit euren Kindern mit. Sie freuen sich, wenn sie schneller sind als ihr. Denn ohne das Engagement der gesamten Familie klappt es im Triathlon nicht.

Zur Person

2017 wurde Bettina Haas von der DTU als Nachwuchstrainerin des Jahres ausgezeichnet. 2009 ist sie bei den Ironman-Weltmeisterschaften auf Hawaii gestartet (Platz 29 in ihrer AK). 2011 und 2014 nahm sie auf Hawaii an der XTerra-WM (Platz 5 bzw. Rang 3) teil. 2017 war sie bei den Crosstriathlon-Europameisterschaften schnellste Amateurin. Sie ist Talentfördergruppen-Leiterin Neckar-Alb und Nachwuchstrainerin beim VfL Pfullingen. . Auf die Trainerschiene kam sie durch ihren ältesten Sohn, sie hat unter anderem den B-Trainer Olympischer Triathlon und Lizenzen beim Deutschen Skiverband erworben.