Die Triathlon-Tausendsassa
Man bleibt schließlich jung, wenn man mit jungen Menschen zusammenarbeitet
Einen Telefontermin für ein Interview mit Marie-Claire Haag in der dritten April-Woche zu bekommen, ist gar nicht so einfach. Marie-Claire ist durch die ständigen Veränderungen der Trainingsgestaltung aufgrund von Corona, vor allem aber aufgrund von Homeschooling, gut beschäftigt. Zudem ist hat sie noch einen Hauptjob im öffentlichen Dienst, ist Mutter von vier Kindern (zwischen sechs und 14 Jahre alt) sowie Trainerin und Abteilungsleiterin beim Bremer Schwimmverein, dessen Triathlonabteilung ausschließlich Training für den Nachwuchs anbietet.
Und man fragt sich zwangsläufig im Laufe des Gesprächs: Wie bekommt sie das alles hin? Beziehungsweise: Wenn sie neben all diesen Tätigkeiten noch so aktiv als Trainerin ist, dann müssten dies doch noch viele andere auch hinbekommen?
Eine erste Antwort auf die Fragen bekommt man schnell: Ohne die Unterstützung ihres Mannes, ihrer Familie und dem Trainerteam wäre diese Arbeit so nicht möglich. „Es geht nicht ohne ein funktionierendes Team. Es ist auch eine Frage der Organisation“, sagt die 44-Jährige. Sie bekommt die Freiheiten für die Arbeit im Verein. Beziehungsweise ist die Trainertätigkeit auch ein gemeinsames Hobby von ihrem Mann und ihr: Er organisiert im Hintergrund, und sie leitet gemeinsam mit den zwei Nachwuchstrainern das Trainingsgeschehen. „Wir haben beide Freude daran“, sagt sie: „Man bleibt schließlich jung, wenn man mit jungen Menschen zusammenarbeitet.“
Marie-Claire wollte nie die typische Mutterrolle annehmen, die die Gesellschaft so oft noch erwartet. „Ich will nicht die Mama-Mama sein“, sagt Marie-Claire. Trotzdem, oder vielleicht auch deswegen, „haben wir ein sehr intensives Familienleben, sind alle sehr eng.“ Sie hat das Glück, dass ihre Kinder ebenfalls triathlonbegeistert sind. So kann sie quasi das Betreuen der eigenen Kinder und das Traininggeben kombinieren. „In dieser Mischung fühlt sich mein Leben gut an“, sagt Marie-Claire.
Aus ihrer Sicht hat man entweder dieses Ich-will-für-andere-aktiv-sein-Gen. Oder man hat es nicht. „Man muss damit glücklich sein, es muss sich richtig anfühlen.“ Für sie fühlt es sich richtig an. Es gab aber auch eine Zeit, kurz nach der Geburt ihres vierten Kindes, da merkte sie, es fühlt sich nicht richtig an. Sie legte eine Pause von drei Jahren ein. Dann begann ihr Ältester mit dem Triathlon. Und sie merkte, wie die Lust, etwas für andere zu tun, zurückkam. „Ich kann Frauen, die das gerne machen wollen, sich aber vielleicht nicht trauen, nur raten: nicht lange überlegen, einfach machen. Die Tätigkeit als Trainerin ist bereichernd, auch wenn man sich auch mal durchboxen muss.“
Als Trainerin möchte sie den jungen Menschen etwas mitgeben, ihnen Inspiration schenken. Und sie möchte, dass die Sportler*innen durch den Triathlon Selbstbewusstsein bekommen. „Aus dem Sport kann jeder so viel für sein Leben mitnehmen“, sagt sie, für die Triathlon nicht bloß eine Sportart, sondern schon längst eine Lebenseinstellung geworden ist.
Sie möchte die Nachwuchssportler*innen auf ihrem Weg unterstützen. Egal ob dieser in den Leistungssport führt. Oder ob es der Auftakt für ein lebenslanges und damit gesundheitsförderndes Sporttreiben ist. „Ein schöner Nebeneffekt ist, das merke ich auch an meinen Kindern, dass wir bestimmte Probleme, wie zum Beispiel das stundenlange Sitzen vor einer Spielkonsole, gar nicht erst haben“, erzählt Marie-Claire, die Frau, die nicht immer, aber fast immer Action braucht: „Ohne eine gewisse Drehzahl in meinem Leben geht es nicht.“
Der Verein ist für Marie-Claire, die Frau mit Mann und vier Kindern, wie eine zweite Familie. „Wir sind so eng, wir sind ein Team“, sagt sie. Der Zusammenhalt untereinander beeindruckt sie. „Wenn ein*e Athlet*in ins Ziel kommt, die zweimal überrundet worden ist im Wettkampf, stehen trotzdem alle da unter feuern ihn*sie an“, erzählt Marie-Claire: „Das ist ein toller Teamspirit.“
Marie-Claire ist seit über zwei Jahrzehnten Triathletin. Sie ist ehrgeizig und ambitioniert, hat den Sport allerdings nie so ganz verbissen ausgeübt. Durch die Kinder folgte dann jedoch mehr und mehr der Übergang von der Athletin zur Trainerin („Das ist längst eine Herzenssache geworden“). Aber ganz auf Wettkämpfe verzichten, das wollte sie nie: „Mit jedem Kind bekommt man gesagt, Wettkämpfe sind jetzt aber nicht mehr möglich. Das war für mich nie vorstellbar. Ich wollte immer mehr als nur Mama sein.“ Aber, so fügt sie noch an, man werde natürlich vernünftig(er). „Meine Kinder sind mir wichtiger als mein Training.“