Begeisterung in der Triathlon-Formel
Athletinnen und Athleten sollten in einigen Bereichen mehr Unterstützung erhalten. Bestimmte Themen wie Leistungsdruck, der Aufbau von mentaler Stärke und Essstörungen gehen aus meiner Sicht ein wenig unter.
Anna, beim Triathlon wird häufig von Leidenschaft gesprochen – was begeistert dich daran?
Das sind einige!
Es sind vor allem die schönen Momente in der Natur, die ich genieße. Beispielsweise im Herbst durch den Morgennebel, im Winter durch Neuschnee oder im Frühling bei Vogelzwitschern zu laufen. Beim Radfahren schätze ich vor allem lange Ausfahrten bei denen ich – wenn keine Intervalle auf dem Trainingsplan stehen – eine neue Strecke entdecke und die Gegend erkunden kann. Am meisten Spaß bereiten mir Radausfahrten mit meiner Schwester, meinem Freund oder meinem Trainer, da ich mich bei ihnen und ihrem Tempo sehr wohl fühle und wir entweder persönliche Gespräche führen können oder schweigend die Natur genießen.
Ein weiterer Punkt, der mich sehr an Triathlon begeistert, ist es mich persönlich weiterzuentwickeln. Nicht nur meine physische Leistung, sondern auch auf psychischer Ebene, indem Fähigkeiten wie ein positives Mindset im Training und Wettkampf verbessert werden. Genauso wichtig und schön finde ich das Gemeinschaftsgefühl und die Hilfsbereitschaft. Triathletinnen und Triathleten durchlaufen zwar nicht genau die gleichen Prozesse, jedoch verbindet uns die Leidenschaft miteinander und ich würde behaupten, jede Triathletin und jeder Triathlet durchläuft ähnliche Gefühle im Training und Wettkampf wie Freude, Stolz, Enttäuschung, Hoffnung. Dieses Gefühl gemeinsamer Erlebnisse und die Unterstützung mit solchen Emotionen umzugehen, empfinde ich als sehr wertvoll.
Wie viel Prozent der persönlichen Leistung macht diese Begeisterung in der Triathlon-Formel aus?
Ich würde sagen 50 %. Begeisterung und Leidenschaft erleichtern ein kontinuierliches Training durch intrinsische Motivation. Jedoch ist aus meiner persönlichen Sicht die persönliche Leistung auch stark von Struktur abhängig. Für mich persönlich heißt das, wenn ich an manchen Tagen keine Lust auf eine sehr harte Lauf-, Rad- oder Schwimmeinheit habe oder mir die Motivation fehlt, allein eine etwas eintönigen Schwimmeinheit zu absolvieren und ich das Training dennoch schaffe, dann trägt dies auf positiver Weise zu meiner persönlichen Leistung bei.
Es ist normal und in Ordnung, dass man nicht jeden Tag gleich motiviert ist. Das sollte man sich bewusst sein, akzeptieren können und sich daran erinnern, dass es die eigene Entscheidung ist, diese Sportart auszuüben.
Ist es also möglich diese Leidenschaft in Motivation zu transformieren?
Ja auf jeden Fall. Ich finde das passiert aber automatisch. Liebt man das Gefühl sich zu bewegen, dann muss man sich nicht motivieren und man freut sich auf das anstehende Training. Bei Einheiten, bei denen man sich vielleicht mehr motivieren muss, verhelfen unglaublich viele Faktoren auf die Sprünge zu kommen. Bei mir sind es vor allem die selbst gesteckten Ziele, aber auch Musik zur Aktivierung vor einer Einheit oder eine kleine Belohnung danach wie ein guter Kaffee oder entspanntes lesen beziehungsweise Podcast hören.
Du hast den Sieg bei der Altersklassen-Europameisterschaft in Madrid, bei der Altersklassen-Weltmeisterschaft in Hamburg den sechsten Platz und den Deutschen Meister- Titel erreicht – wie zufrieden bist du mit deinem Jahr?
Dieses Jahr war eine richtige Achterbahn der Gefühle und meiner körperlichen Verfassung. Ich bin sehr zufrieden mit den Wettkampf- und Trainingsleistungen dieses Jahr, welche meinem Trainer zu verdanken sind, der sehr professionell mit mir arbeitet und mit dem ich mich kontinuierlich verbessere. Ich habe nicht damit gerechnet bei der AK-EM in Spanien zu gewinnen, da das Schwimmen als meine stärkste Disziplin aufgrund der schlechten Wasserqualität wegfallen ist. Bis
kurz vor dem Start wussten wir Aktive nicht, ob der Wettkampf als Triathlon oder Duathlon stattfinden würde. Es bereitete mir viel Stress, nicht zu wissen was genau auf uns zukommen würde und das Bewusstsein zu haben, dass mir einige Lauftrainings aufgrund von Krankheit fehlten. Umso überraschter und glücklicher war ich beim Zieleinlauf mit meiner Leistung. Das war für mich ein weiteres Mal der Beweis, dass für die persönliche Leistung vor allem die Trainingskontinuität entscheidend ist und ein schwarz-weiß Denken oft nicht weiterhilft.
Wie gestaltest du deine Off-Season und hast du schon Pläne für das kommende Jahr 2024?
In der Off-Season steht für mich die mentale Regeneration im Vordergrund. Allgemeine Bewegung ist in dieser Zeit wichtig, jedoch frei nach Lust und Laune. Ich nutze diese Zeit, um mit meinem Gravel Bike Gegenden zu erkunden und mit meiner Familie in den Bergen zu wandern. Besonders in diesem Jahr habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, sich diese Art von Auszeit zu gönnen. Lesen, basteln, spazieren, backen, Klavier spielen, baden und Spieleabende stehen bei mir auf dem Programm.
Die Wettkampfplanung 2024 mit meinem Trainer ist bereits fertig, jedoch warte ich noch auf ein paar
vereinzelte Termine. Es werden hauptsächlich Sprint- und olympische Distanzen sein, aber auch meine erste Mitteldistanz gegen Ende der Saison. Auf neue Erfahrungen bei längeren Distanzen freue ich mich schon sehr.
Mit Blick auf das große Ganze: welche Ziele sollte die Sportart Triathlon verfolgen?
Athletinnen und Athleten sollten in einigen Bereichen mehr Unterstützung erhalten. Bestimmte Themen wie Leistungsdruck, der Aufbau von mentaler Stärke und Essstörungen gehen aus meiner Sicht ein wenig unter. Es wird beispielsweise ein großer Fokus auf Material gerichtet, welches natürlich essenziell ist
und über die letzten Prozentpunkte der Leistung entscheiden kann. Jedoch habe ich das Gefühl, dass Material oftmals als Statussymbol verwendet wird, während die mentale Gesundheit außenvor gelassen wird. Mehr Aktive als angenommen, auch aus meinem engen Freundeskreis, kämpfen
täglich mit Druck, bestimmtes erreichen zu müssen, haben ein gestörtes Selbstbild und/oder leiden unter einer Essstörung. In meiner Bachelorarbeit habe ich mich mit der mentalen Komponente im Triathlon beschäftigt und nur die allerwenigstens gaben an, gezielt mentale Strategien im Training und unmittelbar vor, während und nach dem Wettkampf einzusetzen. In diesem Bereich ist noch viel Potential möglich. Dazu müssen die Themen aber eine höhere Präsenz erfahren und Angebote geschaffen werden, dass Athletinnen und Athleten aufgrund Überforderung und den entsprechenden Konsequenzen ihre sportliche Karriere nicht beenden müssen. Es ist nicht nur die Verantwortung der Sportlerin oder des Sportlers sich mit diesen Themen auseinanderzusetzten, sondern sollte auch von der Community offen angesprochen werden.
Du hast auch eine tolle, spannende oder witzige Geschichte zu erzählen, wie du zum Triathlon gekommen bist? Oder Verletzungen/Krankheiten oder besondere Momente/Ereignisse haben dich erst recht angespornt, (weiter) aktiv zu sein? Dann schreibe uns eine E-Mail an medien@dtu-info.de. Und vielleicht erscheint hier bald deine Geschichte.