"Habe mir schwergetan, vom Beckenrand mit den Armen voraus ins Wasser zu springen"

Justus Nieschlag arbeitet nach zwei Verletzungen derzeit an seinem Comeback. Wir haben mit ihm über ein sehr beeindruckendes Erlebnis, ein Treffen mit einem „Riesen“ in der Mensa und den Weg zurück zwischen Training mit der Girlsgang und dem Respekt vor dem Sprung ins kalte Wasser gesprochen.

Justus Nieschlag
Justus Nieschlag
Er hat die Knie beim Sitzen einfach nicht unter den Tisch bekommen – und war damit das Highlight im Speisesaal.
Justus Nieschlag

Justus, in Medienkreisen ist es eigentlich verpönt, mit der Frage „Wie geht es dir“ in ein Interview einzusteigen. Aber wenn jemand verletzt war wie du, ist die Frage allerdings sicherlich angebracht …

Mit dem Einstieg kann ich leben (lacht).

Ich kann nicht klagen, mir geht es nach den beiden Verletzungen (Justus hatte Probleme mit der Achillessehne und musste nach einem Radsturz an der Schulter operiert werden, Anm. d. Red.) gut, ich bin sehr zufrieden. Ich kann bereits wieder kurze, intensive Tempoeinheiten beim Laufen machen und habe auch den Umfang im Wasser wieder hochgefahren.

Wie groß ist generell die Freude, wenn man nach einer Verletzungsunterbrechung wieder anfangen darf?

Die Freude ist riesig, und es macht richtig Bock – auch wenn ich im Wasser erst einmal hinterherbade. Mittlerweile kann ich sogar bei der Girlsgang in Saarbrücken (das Interview wurde Mitte/Ende Januar geführt, Anm. d. Red.) wieder mithalten.

Aber wir sehen dich in Zukunft dann hoffentlich wieder im Duell mit den Männern?

(lacht) Das hoffe ich doch. Derzeit sind halt die Frauen meine Geschwindigkeitsgang.

Es ist dann doch immer wieder erstaunlich, wie schnell man Fortschritte macht. Gerade Ende Dezember habe ich einen riesen Sprung gemacht und erstmals wieder Einheiten absolvieren können, die den Namen Schwimmtraining auch verdient haben.

Es geht auch darum, das Zutrauen in den zuvor lädierten Körperbereich wiederzubekommen. Mir hat lange das Vertrauen in die Schulter gefehlt. Die ersten Liegestütze waren ein komisches Gefühl, weil plötzlich eine riesige Last auf der Schulter lag.

Wie lässt sich dieses Vertrauen wiedergewinnen?

Man muss es sich erarbeiten. Es hört sich doof an, aber ich habe mir anfangs schwergetan, vom Beckenrand mit den Armen voraus ins Wasser zu springen. Da war einfach eine Blockade im Kopf.

Wie war das beim Laufen?

Ich habe im Laufen mit fünf Mal zwei Minuten angefangen, dazwischen eine bis zwei Minuten Gehpause. Ich wusste nicht, wie lange zwei Minuten Laufen sein können (lacht). Vier Minuten kamen mir dann vor wie 40 Minuten. Ich dachte, die gehen nie zu Ende (lacht). Diese Erfahrung hatte ich vorher so noch nie gemacht.

Die beiden Verletzungen waren nicht die ersten für dich in den vergangenen Jahren. Denkst du mittlerweile, du musst damit leben, immer mal verletzt zu sein – oder hoffst du jedes Mal, dass es die letzte große Verletzung war?

Ich hoffe Letzteres. Die eine oder andere Verletzung war auf eine Überbelastung zurückzuführen. Da weiß ich, dass es robustere Athleten gibt. Ich gehöre da sicherlich zu denen, die gefährdet sind. Dinge wie einen Radsturz lassen sich hingegen schwer verhindern. Das ist schon fast höhere Gewalt.

Vor den beiden Verletzungen gab es mit den Olympischen Spielen einen sportlichen Höhepunkt.

Das Erlebnis Olympia war schon sehr beeindruckend. Sportlich hadere ich mit dem Ergebnis im Einzelrennen (Justus belegte Rang 40., Anm. d. Red.) und bin zufrieden, dass es mit dem Team so gut funktioniert hat.

Waren die Wochen in Tokio welche, die du nie vergessen wirst?

Die Zeit hat mich sehr geprägt und wird mir immer in Erinnerung bleiben. Das lässt sich nicht am Tag der Rennen oder den Tagen in Tokio festmachen. Das fing schon Wochen vorher mit der Einkleidung an. Aber natürlich ist mir das Rennen besonders präsent.

Du sagst, die Zeit hat dich geprägt. Was hat dich geprägt?

Es war in Tokio durch die Coronamaßnahmen schwierig, mit anderen Sportlerinnen und Sportlern in Kontakt zu kommen, aber nicht unmöglich. Sich mit ihnen auszutauschen, darüber zu sprechen, wie sie trainieren, das war schon sehr interessant.

Nie vergessen werde ich einen Moment in der Mensa. Da war ein Basketballer aus China, vermutlich 2,35 Meter groß. Er hat die Knie beim Sitzen einfach nicht unter den Tisch bekommen – und war damit das Highlight im Speisesaal.

Wenn Tokio so toll war, ist die Vorfreude in Richtung Paris 2024 sicherlich groß.

Mein Ziel ist es, mich für Paris zu qualifizieren und dann hoffentlich tolle Spiele ohne Coronaeinschränkungen zu erleben.

Ende Mai beginnt bereits der Qualifikationszeitraum.

Für mich drängt die Zeit ein bisschen. Ich bin unter Zugzwang, da ich durch die wenigen internationalen Starts in den vergangenen Jahren in der Weltrangliste abgerutscht bin. Ich muss durch gute Ergebnisse in Continental-Cup-Rennen erst einmal wieder die nötigen Punkte sammeln, um auf die Startlisten für Weltcuprennen und Wettbewerbe der World Triathlon Championship Series zu kommen. Ich hoffe, dass mir das frühzeitig gelingt.

Du hast im Vorjahr eine Charity-Aktion gestartet, nachdem dein Cousin Moritz an Krebs verstorben ist. Ist es dir wichtig, als Sportler mit solchen Aktion voranzugehen?

Es ist toll, wenn man mit seiner Bekanntheit, die sicherlich nicht mit der von großen Sportstars zu vergleichen ist, so viele Menschen akquirieren kann. Ich tue gerne Gutes für eine gute Sache. Ich habe mich jedenfalls gefreut, dass so viele Menschen dabei waren und eine fünfstellige Summe für die Deutsche Krebshilfe zusammen gekommen ist.

Wie sehr beschäftigt dich so etwas?

Das ist immer im Hinterkopf, gerade, wenn es die eigene Familie betrifft. Man lernt, damit umzugehen und es auch abzulegen. Es gibt Situationen, in denen man viel darüber nachdenkt, aber gerade im Training und im Wettkampf kann ich es gut zur Seite schieben.