"Was ich bei Olympia erlebt habe, hat sich eingebrannt"

14.07.2021 –  Thorsten Eisenhofer

In wenigen Tagen beginnen die Olympischen Spiele in Tokio (Japan). Triathlon ist als Sportart zum sechsten Mal dabei. Wir schauen auf die vergangenen Olympischen Spiele zurück und auf Ricarda Lisk, die 2008 in Peking Rang 15 im Rennen der Frauen belegte.

Ricarda Lisk

Ich kann mich noch an so viele Dinge erinnern. Was ich bei Olympia erlebt habe, hat sich eingebrannt. Es war ein mega Erlebnis. Das kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man selbst nie dabei war. Alleine die Akkreditierung in der Hand zu halten, war ein unbeschreibliches Gefühl. Im Olympischen Dorf begegnet man den besten Athleten der Welt, Kobe Bryant, Rafael Nadal oder all den Leichtathleten. Wahnsinn! Da denkst du schon mal ohhhhhh. Wir konnten den afrikanischen Läufern beim Training zuschauen, immer in das Stadion gehen, um uns die Leichtathletikevents anzusehen. Dann war ich beim Basketballfinale zwischen den USA und Spanien. Ich saß in der fünften Reihe. Die Athleten haben da quasi direkt vor mir gespielt.

Das Tolle ist: Bei Olympia sind alle Athleten gleich. Sie essen das gleiche Essen, sie trinken das gleiche Wasser, sie sind genauso nervös, kämpfen um Siege. Der Erfolg stellt einen Athleten nicht höher als einen anderen Athleten.

Ich wusste als junges Mädchen ewig gar nicht, was Olympia ist. Mein Papa und mein Bruder haben die Spiele 1996 in Atlanta vor dem Fernseher angeschaut. Für mich war das noch völlig uninteressant. 2000 war Triathlon das erste Mal olympisch. Als Stephan Vuckovic Silber gewonnen hat, war ich total begeistert, vor allem weil ich ihn ja auch persönlich kannte. Als ich dann 2001 in die Nationalmannschaft Elite kam und nach Saarbrücken an den Olympiastützpunkt zog, waren dann mein Ziel natürlich die Olympischen Spiele.

2007 und 2008 waren die besten Jahre meiner Karriere. Ich habe mich 2007 durch den fünften Platz bei der Heim-WM in Hamburg für Olympia qualifiziert. Die kommenden zwölf Monate waren das schönste Jahr überhaupt. Und auch das schlimmste. Ich wusste, ich bin qualifiziert und kann mich von nun an auf den Tag x vorbereiten. Es war allerdings ein sehr egoistisches Jahr. Was viele Profiathleten ihre ganze Karriere machen, habe ich nur ein Jahr geschafft. Es ging immer nur um mich, mich, mich. Jeder war nur für mich da. Meine Eltern, mein Trainer, meine Freunde, meine Trainingspartner. Alle haben sich mir untergeordnet. Das war sehr unangenehm. Aber so ist das im Profisport.

Einen Monat vor Olympia hatte ich leider einen Bandscheibenvorfall. Zum Glück wusste ich das nicht. Mein Physiotherapeut war in Peking dabei und hat immer gesagt, es handle sich nur um muskuläre Verspannungen, damit ich mich nicht verrückt machte. Ich hatte jeden Tag bis zu zwei Stunden Behandlung. Das habe ich auch gebraucht. Ich konnte normal schwimmen, normal Rad fahren und normal laufen. Ich wusste: Ich bin zu 100 Prozent fit, habe aber ein körperliches Problem. Was ich nicht konnte, war eben wechseln. Das Bücken hat große Schmerzen verursacht. Ich bin auch beim Start des Olympischen Rennens einfach nur ins Wasser geplumpst. Bei den Wechseln musste ich mich ja bücken und habe da leider viel Zeit verloren.

Trotz der Probleme lief alles super, ich hatte es in die erste Radgruppe geschafft. Dann habe ich den zweiten Wechsel vergeigt, weil ich beim Absteigen kurz stehen geblieben bin. Die Schmerzen waren einfach zu stark. Ich war sehr langsam beim Wechsel und bin als eine der letzten aus der Gruppe aus der Wechselzone raus. Mein Ziel, eine Top-Ten-Platzierung, wäre unter normalen Umständen vielleicht möglich gewesen. Unter diesen Umständen war es unrealistisch. So bin ich auch mit Rang 15 glücklich. Mehr ging nicht an dem Tag, ich hatte alles gegeben. Und das zu wissen, hat mich zufrieden gestellt.