Aufgerafft
Ich finde es schade, dass ich bei Wettkämpfen viele seltsame Blicke kassiere, nur weil ich nicht dem Ideal einer Triathletin mit niedrigem Körperfettanteil entspreche
Als Vanessa Reins 2023 beim Churfranken Triathlon in Niedernberg die Ziellinie überquerte, übermannten sie die Gefühle, Tränen rannten ihr die Wangen herunter, immer wieder fiel sie ihrem Mann und Freunden um den Hals. Die Emotionen hatten natürlich damit zu tun, dass sie ihren ersten Triathlon erfolgreich gefinisht hatte. Die Emotionen hatte aber vor allem auch damit zu tun, welche Transformation sie in den zurückliegenden knapp drei Jahren durchlaufen hatte.
Eigentlich schien die Geschichte von Vanessa eine zu sein, wie man sie oft hört oder liest: Übergewichtig seit der Jugend, Bewegungsmuffel, mit einem Brass auf Sport, befeuert durch die eigene Unsportlichkeit, aber auch durch den Umgang der Gesellschaft damit (in der Schule bekam sie mal im Sportunterricht die Note sechs, bloß weil sie die Langsamte der Klasse war).
Nichts, wirklich nichts, deutete darauf hin, dass die heute 36-Jährige einen Ausweg aus dieser Negativspirale finden sollte.
Dann jedoch, im Frühjahr 2020, redete ein Nachbar, mehrfacher Finisher von Langdistanzen, so lange auf Vanessa und ihren, zu diesem Zeitpunkt ebenfalls unsportlichen Mann ein, bis sie sich an einer Radtour versuchten. Erst einmal nur über 20 Kilometer. Aber es war ein Anfang. Wie sich später herausstellen sollte: ein Anfang von etwas Größerem. „Ich habe mich danach super gefühlt und hatte Lust, so etwas öfter zu machen“, erzählt Vanessa.
Es war seit diesem Tag nicht alles einfach. Vanessa wog damals noch über 100 Kilogramm. Vor allem Laufen, beziehungsweise anfangs Walken, war eine große Herausforderung für sie. „Nach dem ersten Mal hätte ich ein Sauerstoffzelt gebraucht“. Aber zumindest ihre Einstellung war nun eine andere. Sie hatte plötzlich das, was sie über Jahrzehnte nicht gehabt hatte: Lust am Sport, Lust an der Bewegung. Fortan trainierte sie mehrmals die Woche, baute Kilogramm für Kilogramm ab (insgesamt über 30) und gleichzeitig Selbstvertrauen auf.
Und dann kommt in solchen Fällen ja oft das eine zum andere. Die damalige Freundin des Nachbarn, der Vanessa und ihren Mann zum Radfahren animiert hatte, überredetet Vanessa, sich für einen Triathlon anzumelden. Eben jenen Churfranken Triathlon, bei dem sie 2023 ihre Ausdauerdreikampf-Premiere feierte. Vanessa war „sehr, sehr, sehr aufgeregt“. Aber sie meisterte die Sprintdistanz.
Die Geschichte von Vanessa könnte hier zu Ende sein, weil Geschichten, die (zu) gut verlaufen (2024 zweiter und dritter Triathlon, für 2025 erste Kurzdistanz geplant), schnell ihren Reiz verlieren. Wären da nicht noch zwei Dinge. Zum einen fiel sie ein halbes Jahr nach ihrer Premiere in ein tiefes Loch. Sie fing an, sich mit anderen, deutlich besseren Athletinnen und Athleten, zu vergleichen, verlor die Lust am Sport, bis zu dem Zeitpunkt, an dem ein Coach mehr Struktur in ihr Training brachte und Vanessa wieder Freude an der Bewegung bekam.
Zum anderen will Vanessa ein Vorbild für andere Frauen mit Lipödem oder sonstigen Einschränkungen oder Krankheiten sein. Indem sie aktiv über ihren Wandel vom sich selbstbemitleidenden Couchpotato zu einer Frau, die selbstbewusst zu ihrem Körper steht, berichtet, um anderen Frauen Mut zu machen - zum Beispiel auf Social Media.
Und indem sie versucht, Vorurteilen und Abwertungen des Körperbildes möglichst aktiv entgegenzutreten. „Ich finde es schade, dass ich bei Wettkämpfen viele seltsame Blicke kassiere, nur weil ich nicht dem Ideal einer Triathletin mit niedrigem Körperfettanteil entspreche“, erklärt Vanessa. Dazu kann sie viele Geschichten erzählen; und man merkt ihr mit jeder weiteren an, wie sehr diese in ihr arbeiten. „Man sollte die Sportlichkeit eines Menschen nicht an dessen Aussehen fest machen“, unterstreicht Vanessa Sie ist das beste Beispiel dafür.
Du hast auch eine tolle, spannende oder witzige Geschichte zu erzählen, wie du zum Triathlon gekommen bist? Oder Verletzungen/Krankheiten oder besondere Momente/Ereignisse haben dich erst recht angespornt, (weiter) aktiv zu sein? Dann schreibe uns eine E-Mail an medien@triathlondeutschland.de. Und vielleicht erscheint hier bald deine Geschichte.