„Es gibt noch Berührungsängste, die abgebaut werden müssen“

Im dritten Teil unseres Interviews mit Para-Bundestrainer Tom Kosmehl geht es um die positive Entwicklung des Para-Triathlons in den vergangenen Jahren, die Suche nach Talenten und die Jagd auf die Tickets für die Paralympischen Spiele. Hier geht es zum ersten und zweiten Teil des Interviews.

ITU World Triathlon Grand Final Rotterdam 2017, Paratriathlon, Max Gelhaar, GER #325, , Photo: JoKleindl/DTU
Wir müssen neben den rein sportlichen Themen aber vor allem am Drumherum arbeiten: Den Zugang zu Trainern zu finden, Talente zu sichten, aber auch für Quereinsteiger da zu sein. Dann werden wir uns stetig entwickeln.
Tom Kosmehl

Traust du neben Martin Schulz und Christiane Reppe noch einem anderen Athleten die Qualifikation für die Spiele 2020 zu?

Benjamin Lenatz liegt aktuell auf Rang neun der Weltrangliste in seiner Startklasse (PTWC). Bei ihm geht es auf jeden Fall auch um die Paralympics-Qualifikation. Er war beim Weltcup in Magog (Kanada) Sechster. Die Leistungsdichte in der männlichen Startklasse ist hoch und somit wird es auf die Tagesform ankommen. Ich traue ihm ein Tokio-Ticket zu. Er konzentriert sich voll auf die kommenden Wettkämpfe und will somit seinem Traum, den Paralympischen Spielen, nähern kommen.

Wie siehst du die Entwicklung des Para Triathlons?

Es ist seit 2014, seit ich dabei bin, deutlich professioneller geworden. Die Nationen investieren viel in den Sport, was Wettkampfteilnahmen angeht. Die Rennen sind weltweit gut besetzt. Für neue Sportler ist es schwierig, auf die Startlisten zu kommen. Die Wartelisten werden immer länger. Wir hoffen, dass als Folge davon seitens der Internationalen Triathlon Union (ITU) mehr Wettkämpfe angeboten werden. Große Nationen wie Großbritannien, Frankreich und die USA sind sehr gut aufgestellt und verfügen über breite Talentsichtungsprogramme. Deutschland muss sich allerdings nicht verstecken, auch wenn die drei genannten Nationen einen deutlichen Vorsprung gegenüber uns haben. Wir können allerdings viel vom olympischen Triathlon partizipieren. Wir waren zum Beispiel im August in Japan zusammen mit den Triathleten unterwegs. Das waren andere Nationen nicht. Das war eine gute Sache.

Wie „rekrutiert“ man neue Athleten für Para Triathlon?

Wir müssen neue Talente an die Sportart heranführen. Das ist leider nicht so einfach. Wir haben viele Sportler, die durch einen Unfall zum Para Athleten werden, wie zum Beispiel Stefan Lösler, der auch 2016 bei den Paralympischen Spielen dabei war. Dort müssen wir sichten. Wir brauchen generell ein breites Netzwerk mit Vereinen und Trainern. Aktuell bestehen bei einigen Trainern und Übungsleitern noch Berührungsängste, diese müssen wir in den Trainer- Aus- und Weiterbildungen abbauen. Dennoch gibt es auch viele positive Beispiele im Umgang mit unseren Para Athleten. Zudem versuchen wir mit Sportarten, die Talente schon in frühen Jahren sichten, zusammenzuarbeiten - also beispielsweise dem Schwimmen oder Leichtathletik. Da können wir alle partizipieren, denn nicht jeder junge Schwimmer wird ein guter Schwimmer, sondern vielleicht eher ein guter Triathlet. Martin und Christiane sind gute Beispiele für Para Athleten, die vom Schwimmen zum Triathlon gekommen sind. Wir wissen aber auch, dass wir nicht zu einer Massensportart werden. Wir sind eine Nische der Nische Triathlon.

Hat sich durch Martins Goldmedaille etwas den der Wahrnehmung des Para Triathlons verändert?

Im Allgemeinen hat sich die Wahrnehmung des Behinderten-Sports deutlich verändert: Die Übertragungsminuten im Fernsehen sind in Rio im Vergleich zu den Spielen in London schon deutlich angestiegen. In Tokio sollen sie weiter steigen. Auch in Deutschland sind wir auf einem guten Weg. Wir müssen neben den rein sportlichen Themen aber vor allem am Drumherum arbeiten: Den Zugang zu Trainern zu finden, Talente zu sichten, aber auch für Quereinsteiger da zu sein. Dann werden wir uns stetig entwickeln.

Was ist dein langfristiges Ziel als Bundestrainer?

Das Ziel ist es, bis zum Jahr 2024 ein bundesweites Netzwerk in Form eines Stützpunktsystems zu schaffen. Dafür werden bereits Konzepte geschrieben und es finden Strukturgespräche statt. Auch Synergien mit anderen paralympischen Stützpunkten aus anderen Sportarten sind denkbar. Generell wollen wir noch mehr Talente an die Spitze heranführen, die dann vielleicht sogar noch von jetzigen Top-Athleten wie Martin Schulz und Christiane Reppe lernen können. Es ist aber schwierig zu sagen, wir wollen jetzt das Nationalteam auf x Athleten ansteigen lassen.