Julian und sein eigentlich aussichtsloses Unterfangen

In einer Nacht vor vier Jahren hatte Julian nachts einen Krampf. Am nächsten Morgen war vom Knie abwärts alles taub. Julian konnte nicht mehr schmerzfrei gehen. Sein Traum von einer Langdistanz schien zerplatzt. Doch er gab nicht auf, auch wenn er ein halbes Jahr vor dem geplanten Wettkampf gerade einmal 5 Kilometer am Stück joggen konnte ...

Julian
Julian
Normales Gehen war schon die Hölle
Julian Algie

In einer Nacht von Freitag auf Samstag im März 2017 wachte Julian Algie nachts auf. Er hatte einen Krampf in der rechten Wade. Keinen normalen Krampf. Sondern einen sehr, sehr schmerzhaften Krampf. Einen Krampf, der, so sagt es Julian, „tierisch wehgetan hat“. Nach rund fünf Minuten war der Krampf vorbei. Julian schlief wieder ein.

Als er am nächsten Morgen aufstand, oder besser gesagt, aufstehen wollte, hatte er kein Gespür in seinem rechten Bein. „Vom Knie abwärts war alles taub“ sagt der heute 35-Jährige.

Es war Samstagvormittag, Julian dachte: in zwei Tagen wird es schon wieder okay sein. Allerdings war es zwei Tage später nicht wieder okay. Julian ging zu seinem Physiotherapeuten. Was Julian damals nicht wusste: Es war der Beginn eines Marathons. Eines Ärzte-Marathons.

Julian konnte nicht mehr schmerzfrei gehen, er stolperte mehr als das er lief. „Normales Gehen war schon die Hölle.“ Er besuchte in den kommenden Wochen und Monaten Ärzte diverser Fachrichtungen: Neurologen, Gefäßspezialisten. Eine wirkliche Diagnose hat er nicht bekommen. Bis heute nicht, so viel kann man an dieser Stelle der Geschichte schon mal verraten.

„In dieser Phase“, sagt Julian, „ist in meinem Kopf ein Traum zerplatzt. Da ist echt etwas zusammengebrochen.“ Eigentlich wollte Julian beim Ironman Hamburg 2018 an der Startlinie stehen.

Mit dem Ausdauersport begann Julian 2010 – aufgrund einer verlorenen Wette. Zuerst startete er bei zu dieser Zeit erstmals in Deutschland ausgetragenen Extrem-Hindernis-Läufen. Bald auch bei Straßenläufen: 5 Kilometer, 10 Kilometer, Halbmarathon, Marathon. „Laufen wurde zu einer kleinen Sucht“, sagt Julian. Fand irgendwo ein Wettkampf statt, war er dabei: „Ich habe alles mitgenommen, was ging.“

Dann kaufte er sich ein Rennrad, irgendwann kam das Schwimmen dazu. Und damit der Wunsch, 2013 bei einem Triathlon zu starten. Er begann mit der triathlonspezifischen Vorbereitung. Dann wurde der Wettkampf abgesagt. Julian war geknickt – und startete erst einmal weiter bei Laufwettbewerben. Allerdings ohne das Ziel Triathlon ganz aus den Augen zu verlieren: „Ich habe das Projekt Triathlon nur auf die lange Bank geschoben.“

Nun, aufgrund der körperlichen Probleme, schien es zu spät zu sein. Und nicht nur das. Durch die physischen Probleme fiel er auch psychisch in ein Loch.

Als Antrieb, nicht aufzugeben, dienten der Zuspruch seiner Krankengymnastin, die ihn vor allem auch psychisch aufbaute, und ein Besuch bei seiner Tante in den USA. Sechs Wochen machte er dort nicht viel mehr, als seinen Körper zu pflegen. Er konnte zu diesem Zeitpunkt im Sommer 2017 zwar nur mit einer Schiene und meistens auch nur mit Schmerzen gehen und joggen - selbst beim Schwimmen fühlte sich das rechte Bein komisch an -, aber er hatte den Willen wiedergefunden. Den Willen, zu kämpfen. „Ich habe mir damals gesagt: Ich werde mir das Ziel Ironman Hamburg 2018 nicht zertrümmern lassen. Auch wenn es ein schwerer Weg bis dorthin ist.“

Wie schwer dieser Weg war, lässt sich auch an Zahlen ablesen. Zum Jahreswechsel 2017/2018 konnte Julian nicht mehr als fünf Kilometer am Stück joggen. Mitte des Jahres 2018 wollte er einen Marathon laufen, nachdem er vorher schon 3,8 Kilometer geschwommen und 180 Kilometer Rad gefahren ist.

Es klang utopisch, nach einem aussichtslosen Unterfangen. Aber plötzlich, in den ersten Wochen des Jahres 2018, ging es ihm besser. Die Probleme ließen zwar nicht so schnell nach, wie sie gekommen waren. Aber doch stetig. „Ich weiß nicht, warum die Probleme aufgetreten sind, ich weiß nicht, ob sie noch einmal wiederkommen. Das war und ist natürlich schon eine extreme Belastung“, sagt Julian.

Am Wettkampftag, während des Rennens und vor allem beim Zieleinlauf, der für Julian ein sehr emotionaler Moment war („Die letzten 100 Meter waren unbeschreiblich. Ich habe gezeigt, dass es möglich ist“), waren die Gedanken an die vergangenen Monate ganz nah. Und die Probleme zugleich doch ganz weit weg.

Julian hat seitdem mehrere Triathlonwettkämpfe absolviert, über die verschiedensten Distanzen. Er sagt: „Auf der Ziellinie beim Ironman Hamburg 2018 fing mein Weg als Triathlet erst an.“

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