Den Krebs besiegt

Maria führt ein zufriedenes Leben, bis sie die schockierende Nachricht Tumor im Kopf bekommt. Bei der Operation kommt es zu Komplikationen, die zu neurologischen Einschränkungen führen. Doch Maria kämpft sich zurück ins Leben - auch dank dem Sport.

Maria Scherf
Es geht immer mehr als man denkt
Maria Scherf
Maria Scherf

Es waren nur sieben Kilometer, die Maria beim Sonsbecker Frühjahrswaldlauf 2022 zu absolvieren hatte. Trotzdem war sie auf den letzten Metern der Strecke total geschafft. Nicht unbedingt körperlich, sondern vor allem emotional. „Mich haben so die Gefühle übermannt, dass es mir fast die Luft abgeschnürt hat und ich mir sagen musste: Bleib ruhig, ansonsten kommst du nicht ins Ziel“, beschreibt die heute 64-Jährige ihr Wettkampf-Comeback vor rund drei Jahren. 

Und dann sagt sie diesen Satz, den sie im Gespräch immer wieder sagt: „Es geht mehr als man denkt.“ 

Es ist ein Satz, der Maria und ihre Einstellung zum Leben ganz gut beschreibt. Sie hat es (zusammen mit ihrem Mann) geschafft, drei Kinder groß zu ziehen. Sie hat (danach) sportliche Abenteuer gemeistert wie den Jungfrau Marathon mit fast 2.000 Höhenmetern. Ihre größte Herausforderung aber war es, nach schwerwiegenden Komplikationen in Folge eines Eingriffs wegen eines Tumors im Kopf wieder zurück ins Leben zu finden. Es war ein Weg, bei dem der Sport eine wichtige, vielleicht sogar sehr wichtige Rolle spielte und weiterhin spielt. 

Doch der Reihe nach: in den 2010er Jahren führt Maria ein zufriedenstellendes Leben. Die Kinder sind aus dem Haus, es ist (wieder) viel Zeit für Sport, sie entdeckt erst das Laufen und dann den Triathlon für sich. Seit 2014 hat sie eine starke (Schwimm-)Trainingsgruppe und startet regelmäßig bei Wettkämpfen, bis hin zu einer Mitteldistanz. Es könnte – im wahrsten Sinne des Wortes - nicht viel besser laufen. 

Doch dann kommt 2020. Und damit erst die Corona-Pandemie und dann ein Tag, den sie nie vergessen wird. Ein Tag, über den sie sich noch heute wundert, wie sie diesen weggesteckt hat: Ihre Hals-Nasen-Ohren-Ärztin eröffnet ihr, dass sie ein Vestibularisschwannom habe, einen gutartig, langsam wachenden Tumor auf dem Gleichgewichtsnerv im Kopf. Maria nimmt die Diagnose recht regungslos hin, verlässt die Praxis und fährt nach Hause, ohne, wie sie sagt, die Dimensionen der Diagnose zu verstehen. 

Ein paar Wochen später geht sie ohne Furcht ins Krankenhaus, lässt sich operieren, wacht nach der OP auf – und plötzlich ist, aufgrund von Komplikationen beim Eingriff, alles anders. Ihr Leben ist komplett auf den Kopf gestellt. 

„Ich konnte gefühlt nichts mehr“, sagt Maria: „Ich konnte mich nicht allein aus dem Bett hochziehen, benötigte Hilfe beim Laufen, konnte nicht richtig essen, nicht richtig trinken, mein linkes Auge nicht mehr schließen.“ 

Die Komplikationen hatten zu neurologischen Einschränkungen geführt. Noch heute ist sie auf dem linken Ohr taub, der Gleichgewichtsnerv und der Gesichtsnerv sind beeinträchtigt. Sie leidet unter Schwankschwindel, Sehstörungen, ihre linke Gesichtshälfte ist gelähmt, Kauen und Schlucken bereiten ihr weiterhin Probleme. 

Dabei hat sie doch schon vor der Operation ihr sportliches Comeback geplant. „Es war nie die Frage, ob ich zurückkomme, sondern nur wann ich zurückkomme.“ Und nun? Kann sie nur mit Unterstützung von Krankenhausangestellten den Krankenhausflur entlanglaufen. Eine Sportfreundin, die den Ironman auf Hawaii gefinisht hatte, schreibt Maria eine Nachricht: „Wir verschieben Grenzen.“ Maria glaubt daran. Da ist es wieder, dieses: es geht mehr als man denkt. 

Es gibt sicherlich einige, die in solchen Momenten aufgeben, sich fallen gelassen, verständlicherweise nicht mehr weiterwissen. Maria sieht die Situation eher wie einen Wettkampf. Ihr ist klar: das Beste, was sie machen kann, ist etwas tun. Denn wer etwas tut, der wird in der Regel Erfolg haben. So denkt sie. 

Sie geht in Reha, setzt sich danach auf ihr Holland-Rad, um unabhängig zu sein und allein zu ihren Physio-Terminen fahren zu können, beginnt bald darauf langsam zu walken, nach vier Monaten zu joggen und nach etwa einem halben Jahr wieder zu schwimmen. „Ich habe sofort gemerkt: Bewegung tut gut, der Sport hilft mir.“ 

Etwa eineinviertel Jahre nach dem Eingriff absolviert sie – getreu ihrem Motto: es geht mehr als man denkt – wieder einen Triathlon, den Nibelungen-Triathlon in Xanten im September 2022. Es ist eine besondere Herausforderung. Denn Maria hat aufgrund ihrer diversen Einschränkungen Schwierigkeiten, sich zu orientieren: auf der Strecke, aber auch beim Finden ihres Wechselplatzes oder beim Erkennen von Unebenheiten auf dem Weg. Das Aufrichten nach dem Schwimmen sorgt bei ihr für starken Schwindel, sie muss sich beim Wechsel hinsetzen, um den Neo auszuziehen und das Trinken auf dem Rad ist für sie unmöglich (weil sie mit den Lippen die Flaschenöffnung nicht komplett umschließen und so keinen Unterdruck erzeugen kann). 

Aber Maria, eine lebenslustige Frau vom Niederrhein, meistert all diese Schwierigkeiten, die für andere so banal klingen mögen. Sie treibt Sport mit großer Freude, und denkt dabei nicht, was wäre wenn: „Ich bin mit dem, was ich leisten kann, sehr zufrieden. Das gibt mir viel, ich muss nicht mehr haben.“ Es geht ihr nicht (mehr) um Podiumsplatzierungen. Es geht ihr darum, ihre Leidenschaft für den Sport ausüben zu können. Und das so lange wie möglich.  

Und dann, zum Ende des Interviews, hält sie kurz innen und sagt noch einmal: „Es geht mehr als man denkt.“ 

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