Triathletin durch eine radikale Veränderung
04.12.2020 – Thorsten Eisenhofer

„Manchmal“, sagt Andrea Klein, „denke ich: Krass, dass das funktioniert hat.“ Sie denkt dann darüber nach, wie ihr Leben einmal war – und wie es nun ist. Wie sie, die immer als unsportlich dargestellt wurde, zur Triathletin wurde. Wie sie, die immer übergewichtig war,nun stundenlang laufen kann. Wie sie vielleicht kein neues Leben begonnen hat, aber ihr Leben zumindest radikal umgekrempelt hat, einem Wandel unterzogen hat.
„Ich bin“, sagt Andrea, „ein gutes Beispiel dafür, dass man mit Willen und Disziplin weit kommen kann.“
Andrea wäre trotz dieses Willens und dieser Disziplin vermutlich nie Leistungssportlerin geworden. Selbst wenn sie nicht erst mit Ende 20, sondern schon 20 Jahre früher mit dem Ausdauersport begonnen hätte. Dafür fehlen ihr die Gabe schnell zu laufen und auch der Spaß am schnellen Laufen. Aber darum geht es in dieser Geschichte auch nicht. In dieser Geschichte geht es darum, dass man auch jenseits des leistungsorientierten Sports mit Durchhaltevermögen, der nötigen Einstellung und Motivation einiges erreichen kann. Und dass einem Sport helfen kann, ein glücklicheres und zufriedeneres Leben zu führen. Andrea ist jedenfalls ein gutes Beispiel dafür.
Sie sei, so erzählt sie, als Kind immer als unsportlich dargestellt worden, obwohl sie sich selbst nie als so unsportlich wahrgenommen hat. „Aber diesen Glaubenssatz habe ich irgendwann für mich übernommen.“ Die Vorstellung hat sich einfach eingeschliffen. Entsprechend eher negativ war ihre Einstellung zum Sport und entsprechend halbherzig waren auch ihre Versuche in der Jugend und im jungen Erwachsenalter, sportlich(er) zu werden. Sport hat ihr auch nicht gefehlt, ihre Freizeit nutzte sie, um sich ehrenamtlich im psycho-sozialen Bereich zu engagieren.
Der (Lebens-)Wandel kam durch die berufliche Auseinandersetzung mit dem Thema Gesundheit während ihres Medizinstudiums. „Da ist mir ist bewusst geworden, so kannst du nicht weitermachen“, erzählt die Ärztin. Sie wusste, sie muss abnehmen, um den Körper vor den (Spät-)Folgen des Übergewichts zu bewahren und sie wusste auch, dass Bewegung dafür der geeignetste Weg ist. Sie begann mit Aquajogging, mehrmals die Woche, um ihren Körper vorsichtig an die Belastung des Laufens zu gewöhnen.
Es war kein Weg, der zu schnellem Erfolg führte. Es war sicherlich auch ein mühsamer Weg. Aber es war vor allem ein Weg, der für sie vernünftig war. Über eineinhalb Jahre machte sie nur Aquajogging, bevor sie erstmals „normal“ laufen ging. Auch nicht gleich mehrmals die Woche, sondern als Ergänzung zum Aquajogging - und anfangs auch nur zwei, drei Kilometer. In einem mehrmonatigen Prozess ersetzte sie immer mehr Aquajoggingeinheiten durch „normale“ Laufeinheiten. So stellten sich Fortschritte ein. Bald folgten erste Laufwettkämpfe, irgendwann ein erster Marathon.
Sie bekam in dieser Zeit viel Zuspruch für ihren Weg. Kollegen und Freund*innen gingen regelmäßig mit ihr laufen. Sie spürte aber auch Gegenwind. Es gab Menschen, die ihr sagten, dass schaffe sie doch eh nicht Doch Andrea ist sowieso keine, die sich von solchen Kommentaren und Meinungen aufhalten lässt. Sie will Dinge immer ausprobieren. Dann sieht sie, ob es funktioniert – oder eben nicht.
Ihr Weg zu einem sportlicheren Menschen hat jedenfalls funktioniert. Laufen entwickelte sich zu ihrer neuen Leidenschaft. Die Strecken wurden dabei immer länger. „Zeiten haben mich nie wirklich motiviert. Mir ging es immer um die Streckenlänge, darum, zu sehen: Wie viel schaffe ich ohne Schmerzen?“
Durch eine Arbeitskollegin („Ich habe sie immer aus der Ferne bewundert“) begann sie, sich mit Triathlon zu beschäftigten. Sie sträubte sich erst („Ich habe dafür kein Fahrrad“), fand aber nach und nach Gefallen an dem Gedanken, nicht nur eine Sportart auszuüben, sondern drei zu kombinieren. Sie lernte Kraulschwimmen, Rennradfahren an einem Sonntag auf einem Supermarktparkplatz („Ich bin bestimmt zehnmal hingefallen“) und fuhr monatelang im Windschatten eines Arbeitskollegen mit. So folgte für Andrea, die sich viel mit den Themen Auswirkungen von drastischen Lifestyle-Veränderungen auf die emotionale Verfassung und Depressionen im Ausdauersport beschäftigt, der erste Triathlon.
Wie auch beim Laufen sind es vor allem die ganz langen Distanzen, die sie faszinieren. Über die Langdistanz fand sie den Weg zum Ultra-Triathlon, hat bereits einen fünffachen Ultratriathlon absolviert. Und so wie es ihr auch hier nicht um Zeiten geht, geht es in dieser Geschichte eigentlich nicht unbedingt darum, wie viele Langdistanzrennen sie am Stück (oder an mehreren Tagen in Folge) absolvieren kann. Sondern es geht vor allem darum, dass es ihr gelungen ist, ihr Leben zu verändern. Und damit ist sie ein Vorbild für viele Menschen mit einer ähnlichen Ausgangslage.