„Das hat meine kühnsten Träume übertroffen“

In Quedlinburg im Harz gab es mit der Hölle Special 2019 einen Triathlon für Menschen mit geistiger Behinderung. Wir haben mit Organisator Mark Hörstermann über überraschende Erfahrungen im See, Winfrieds Wunsch und überraschende Fragen gesprochen.

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Sie sind mit einer unglaublichen Begeisterung dabei, die auch auf die Starter der Hölle von Q übergesprungen ist, die als Streckenposten und Helfer im Einsatz waren.
Mark Hörstermann

Wie ist die Hölle Special entstanden?

Wir haben hier in der Region mit der evangelischen Stiftung Neinstedt eine große Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung, die sich sehr im Sportbereich engagiert. Zudem haben sie mit Winfried einen Betreuer, der schon länger daran gedacht hat, dass die Bewohner mal einen Triathlon absolvieren könnten. Winfried und ich als Veranstalter der Hölle von Q (Mitteldistanz bei Quedlinburg, die dieses Jahr zum dritten Mal stattfand, Anm. d. Red.) sind ins Gespräch gekommen und haben dann die Stiftung überzeugt. Ein wichtiger Punkt war auch, dass die Laufstrecke an der Einrichtung Marienhof vorbeiführt. Die war 2018 eines der Stimmungsnester an der Strecke. Dort ist anschließend das Triathlonfieber ausgebrochen.

Wie ließ sich die Idee umsetzen?

Wir haben für die Hölle Special deutlich kürzere Strecken benötigt. Die Hölle von Q ist schließlich eine Mitteldistanz mit knackigen Strecken. Wir haben dann überlegt, wie man die Hölle von Q und die Hölle Special zeitlich und von den Strecken her verbinden kann. Die Hölle Special findet nun am Tag zuvor auf den gleichen Strecken statt, nur dass diese stark verkürzt sind. Zwischen dem Schwimmen und dem Radfahren ist dafür ein Bustransport nötig.

Können die Menschen mit geistiger Behinderung die Hölle Special alleine absolvieren?

Die meisten sind alleine am Start. Der eine oder andere benötigt für eine der Teilstrecken oder den kompletten Triathlon einen Betreuer.

Wie viel Spaß hatten die Athleten?

Sie sind mit einer unglaublichen Begeisterung dabei, die auch auf die Starter der Hölle von Q übergesprungen ist, die als Streckenposten und Helfer im Einsatz waren. Das hat meine kühnsten Träume übertroffen. Man hat auch schon im Training gemerkt, dass sie sich enorm drauf freuen. Ich war beim ersten Schwimmtraining im See einiger Athleten dabei. Wir hatten vorher schon ein paar Bedenken. Aber dann hat das bei 24 auf Anhieb gut geklappt. Eine junge Frau hatte am Anfang Begleitung von zwei Rettungsschwimmern, ist aber anschließend die ganze Strecke (150 Meter, Anm. d. Red.) noch einmal alleine geschwommen. Da hat man richtig gemerkt: Die wollen das, da ist viel Ehrgeiz dahinter. Und wissen Sie was?

Erzählen Sie es uns.

Nach der Austragung ist eine Gruppe auf mich zugekommen. Sie haben gefragt, ob sie nicht im kommenden Jahr zu dritt als Staffel bei der Hölle von Q starten könnten. Ich habe dann erst einmal gestockt, dann aber gedacht, es spricht ja eigentlich nichts dagegen. Sie trainieren jetzt ein Jahr daraufhin. Das finde ich sehr bemerkenswert.

Hoffen Sie, dass es ein paar Nachahmer-Veranstaltungen gibt?

Erst einmal muss ich sagen, dass wir ja nicht die ersten sind, die einen Triathlon für Menschen mit geistiger Behinderung anbieten. Am Bodensee (beim Haslachmühle-Triathlon, Anm. d. Red.) gibt es das schon seit einigen Jahren und die machen das auch echt gut. Wir sind die ersten, die das an eine normale Veranstaltung dranhängen. Es wäre natürlich schön, wenn es Nachahmer geben würde. Es wäre ein schönes Zeichen, auch im Hinblick auf die Special Olympics World Games 2023 in Berlin (Sportveranstaltung für Menschen mit geistiger Behinderung und Mehrfachbehinderung, Anm. d. Red.). Dafür war Triathlon als eine der Sportarten bisher nicht auf der Liste. Durch den engen Kontakt von uns mit Special Olympics sieht es mittlerweile anders aus. Unser größter Traum wäre es, wenn der Triathlon im Rahmen der Special Olympics World Games hier in Quedlinburg stattfindet.

Könnte nicht jeder Triathlonveranstalter einen Wettbewerb für Menschen mit geistiger Behinderung integrieren?

Ganz sicher. Ich wüsste nichts, was dagegen spricht.

Was muss man als Veranstalter bedenken?

Man braucht einen anderen „Betreuerschlüssel“ als bei einem „normalen“ Triathlon. Die Streckenposten etwa sollten in Sichtweite voneinander entfernt stehen, um zum Beispiel schauen zu können, ob ein Athlet einfach auf der Strecke stehen bleibt. Und man braucht erfahre Betreuer, zum Beispiel für die Weitergabe der Informationen in einfacher Sprache. Man muss sich auf jeden Fall keine Sorgen machen, dass die Veranstaltung in irgendeiner Weise aus dem Ruder läuft, die Teilnehmer sich nicht zu benehmen wissen.

Wie viel muss sich im Sportbereich noch für Menschen mit geistiger Behinderung tun?

Ich maße mir da keine Aussage an. Was ich sagen kann, dass es große Unterschiede zwischen den Einrichtungen gibt. Die evangelische Stiftung Neinstedt ist da zum Beispiel weit vorne, andere haben kein großes Sportprogramm. Und es gibt natürlich auch große Unterschiede bei den Menschen mit geistiger Behinderung. Einigen sieht man ihre Behinderung gar nicht an, andere haben eine mehrfache Behinderung.