„Der Cappuccino sollte es einem wert sein“

Welche Visionen hat die Deutsche Triathlon Union (DTU)? Wie schwer hat die Corona-Pandemie Verband und Sportart getroffen? Und warum ist das Image eines Verbandes weniger altbacken als gedacht? Wir haben mit Matthias Zöll, Geschäftsführer der DTU, über Bremsen, die Höhe von Hürden und den Wert eines Cappuccino gesprochen.

Matthias Zöll
AK-Athleten
Unser Sport wird sich, auch trotz einer kleinen Corona-Delle, weiterhin einer steigenden Anzahl von Mitgliedern erfreuen, gerade auch bei den jüngeren Menschen
Matthias Zöll

Die aufgrund der Corona-Pandemie getroffenen Maßnahmen sind im Frühsommer 2021 abgeschwächt worden, dadurch konnten auch wieder größere Triathlon-Veranstaltungen stattfinden. Wie groß war und ist der Hemmschuh für den Verband und für den Triathlon?

Für den Triathlon war es ein ziemlich großer Hemmschuh. Veranstaltungen, das Herz bzw. das Kernelement des Triathlons, konnten und können zum Teil immer noch nicht durchgeführt werden. Neben den vielen traditionellen und auch kleineren Veranstaltungen sind es vor allem die großen Events, zum Teil in den Innenstädten, die eine Faszination für unseren Sport auslösen. Von ihnen geht immer auch eine Sogwirkung aus. Sie haben leider bis vor Kurzem nicht stattfinden dürfen. Jetzt, da es langsam wieder losgeht, merken wir aber deutlich, dass Corona der Beliebtheit unserer Sportart nicht geschadet hat.

Und für den Verband?

Für den Verband ist Corona natürlich auch eine Belastung gewesen, deren Wirkung wohl erst in zwei, drei Jahren konkret umrissen werden kann. Aber eine Krise impliziert auch immer die Chance, Dinge zu überdenken, zu erneuern, zu verbessern. Hier hat sich gezeigt, dass es richtig war, schon vor Corona vermehrt eigene Veranstaltungen durchzuführen. Ansonsten hätte es die Saison der 1. Bitburger 0,0% Triathlon-Bundesliga und der beiden Zweiten Ligen dieses Jahr nicht gegeben. Die Rennen haben wir so zum größten Teil eigenständig mit unserem eigenen Personal auf die Beine gestellt und zumindest dieses Feld wiederbeleben können.

Die Corona-Pandemie impliziert man mit vielen negativen Dingen. Auch im Triathlon. Beispielsweise waren Schwimmbäder lange geschlossen. Ist Corona aber auch eine große Chance für die Sportart? Schließlich haben viele Menschen das Laufen und das Radfahren für sich entdeckt.

Dass viele Menschen Laufen und Radfahren für sich entdeckt haben, ist dem Triathlonsport sicherlich nicht abträglich. Wir wissen: Die meisten Triathlet*innen beginnen als Läufer oder Radfahrer. Das heißt: Steigt die Anzahl der Läufer*innen und Radfahrer*innen, steigt irgendwann wahrscheinlich auch die Anzahl der Triathlet*innen. Die Vielseitigkeit und Abwechslung unserer Sportart sind die Gründe, warum viele irgendwann ihr Spektrum erweitern und den Triathlon so leidenschaftlich gerne machen.

Die Anzahl der Mitglieder der DTU ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Geht diese Entwicklung so weiter?

Unser Sport wird sich, auch trotz einer kleinen Corona-Delle, weiterhin einer steigenden Anzahl von Mitgliedern erfreuen, gerade auch bei den jüngeren Menschen. Triathlon liegt weiterhin im Trend, dem Trend der Naturverbundenheit, der Individualisierung - und eignet sich für jedes Lebensalter. Er passt deshalb auch so wunderbar in eine Zeit, in der Flexibilität eine immer größere Bedeutung gewinnt.

Ist die DTU für einen weiteren Ansturm an Mitgliedern gewappnet?

Mehr Mitglieder bedeutet, dass die Verbände sich mehr PS im „Maschinenraum“ leisten können. In diesem Bereich haben wir in der DTU in den vergangenen Jahren eine tolle Entwicklung genommen. Mehr Manpower gibt uns die Chance, zum Beispiel auf der Ebene der Landesverbände den Service zu erhöhen und den Sport zu den Menschen zu bringen, bzw. noch bekannter zu machen. Das sind in meinen Augen auch die Hauptaufgaben der Verbände.

Hast du eine DTU-Vision 2030?

Da es keine „One-Man-Show“ ist, entstehen Visionen auch immer im Teamwork. Ideen kommen nicht aus einem Kopf, sondern aus vielen Köpfen. Das ist auch bei uns so und deshalb führen wir auch im Drei-Jahresrhythmus eine Klausur mit den Landesverbänden durch. Aber man hat natürlich auch selbst Vorstellungen. Bei diesen eigenen Vorstellungen sind wir inzwischen recht nahe dran an dem, was ich mir vor zehn Jahren erträumt habe, als ich meinen Job als Geschäftsführer bei der DTU angetreten habe. Mir war es damals neben der Weiterentwicklung der 1. Bitburger 0,0% Triathlon-Bundesliga ein Anliegen, dass wieder internationale Veranstaltungen in Deutschland stattfinden, gerade auch für die Altersklassen-Athlet*innen. Das haben wir in den vergangenen Jahren bereits geschafft. Mit den European-Championships 2022 in München und der WM 2023 in Hamburg fiebern wir zudem zwei großen Events entgegen.

Hat ein Sportverband immer ein etwas altbackenes Image anheften?

Das wirkt auf den ersten Blick vielleicht so – zumindest von außen betrachtet. Ein Verband ist immer auch ein Querschnitt der Gesellschaft. In einer homogenen Gruppe, die ein gemeinsames Ziel für einen zeitlich beschränkten Abschnitt hat, ist es einfacher und damit zumeist schneller, ein konsensfähiges Ergebnis zu schaffen. In einem Verband ist hingegen Kompromissfähigkeit und Ausgleich von Nöten, wenn ich langfristig etwas erreichen will. Auf dem Weg dahin wird sich leidenschaftlich und intensiv ausgetauscht, was dann seine Zeit braucht. Aufgrund der vielen Ideen und des unabhängigen, freien Denkens, haben Verbände aus meiner Sicht so auch die Möglichkeit sehr innovativ zu sein.

Muss man daher als Verband dem altbackenen Image aktiv entgegenwirken?

Na klar, eine gewisse „Coolness“ brauchen auch wir (lacht), damit man sich für unsere Themen interessiert. Deshalb ist es ein wichtiger Schritt gewesen, die Bereiche Marketing und Kommunikation auszubauen, um nicht nur Gutes zu tun, sondern dies auch entsprechend transportieren zu können. Wir unterscheiden uns dabei nicht von einem Unternehmen. Allerdings geht es uns als Verband nicht darum, ein Produkt so hübsch wie möglich zu machen, um es anschließend so teuer und so oft wie möglich verkaufen zu können.

Wir haben vorhin über die Chance gesprochen, neue Menschen für den Triathlon zu begeistern. Wie hoch sind die Einstiegshürden für Anfänger?

Es gibt keine! Wir sind eine der wenigen Sportarten, die auf den ganz kurzen Distanzen, und die sind eigentlich für fast alle gesunden Menschen zu bewältigen, keine Lizenzen oder ähnliches einfordern. Man kann also mit seinem Fahrrad, seiner Badehose und seine Laufschuhen kommen und mitmachen. Eine geringere Einstiegshürde gibt es meiner Meinung nach nicht.

Wenn überhaupt eine Hürde besteht, dann bei den Menschen im Kopf, weil sie Triathlon mit der Langdistanz assoziieren und unbedingt gleich eine absolvieren wollen. Unsere Aufgabe ist, den Menschen näher zu bringen, dass das Finishen einer Langdistanz nicht das Einzige ist, was den Triathlon ausmacht. Es sind vielmehr die Vielfalt und die Abwechslung, vielleicht sogar das Lebensgefühl, was den Triathlon als Sport ausmacht.

Starte ich regelmäßig bei Wettkämpfen, werde ich irgendwann zwangsläufig mit dem Thema Startpass konfrontiert. Warum sollte ich den unbedingt nehmen?

Das ist wie mit der Jahreskarte beim Schwimmen. Es geht hier also auch um den klassischen Mengenrabatt, den eine Jahreslizenz mit sich bringt. Dreimal die Tageslizenz für einen Wettkampf zu lösen, kostet ca. 60 Euro. Der Startpass ist dann schon günstiger.

Sehr wichtig ist dabei auch der Versicherungsschutz.

Der Startpass bietet eine Unfall- und Haftpflicht-, sowie eine Rechtsschutzversicherung bei der privaten Ausübung des Triathlonsports. Er deckt also Schäden ab, die über den Wettkampf und über das Vereinstraining hinausgehen. Aktuell liegt der Versicherungsbeitrag seit fast 15 Jahren bei 3,50 Euro. Und auch wenn wir den Betrag nicht für immer so niedrig werden halten können, da wie in allen Lebensbereichen vermutlich irgendwann eine Beitragsanpassung nötig sein wird, ist das sehr wenig.

Aber auch wenn es ein paar Euro mehr sein sollten, ist es ein gutes Investment für eine Versicherung, die im Zweifel - das haben Fälle aus den vergangenen Jahren gezeigt - Schäden von 250.000 Euro deckt. Diese Fälle kommen zum Glück selten vor, aber wenn es einen trifft, wird man froh sein, zehn Jahre lang 3,50 Euro gezahlt zu haben. Der Cappuccino, den man für die 3,50 Euro getrunken hätte, sollte es einem wert sein.

Wozu brauche ich diese Absicherung, wenn ich krankenversichert bin?

Die Krankenversicherung übernimmt finanziell die Erstversorgung. Aber Krankenkassen fragen dann auch gerne mal: Musstest du dir solch einen gefährlichen Sport aussuchen? Wie risikobewusst bist du mit den Gefahren umgegangen? Die Versicherung, die im DTU-Startpass enthalten ist, hat nachweislich schon die von mir erwähnten Summen abgedeckt, was eben nicht selbstverständlich ist.

Die Zeiten werden moderner. Wie wird sich der Startpass ändern?

Zwei der Megatrends unserer Zeit sind Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Dahin wird auch der Trend des Startpasses gehen. Am einfachsten ist das sicherlich über eine App fürs Smartphone zu realisieren. Wir sind aber auch eine Sportart, die sich durch die Möglichkeit des lebenslangen Sporttreibens auszeichnet und damit ein großes Altersspektrum abbildet. Von den ganz Jungen, die noch nicht unbedingt ein Smartphone haben sollten, bis zu ganz Alten, die kein Smartphone besitzen wollen. Die Herausforderung ist, niemanden auszuschließen. Daher muss es die Wahlmöglichkeit geben, zwischen einer App und einer Plastikkarte zu wählen, was in der Umsetzung nicht trivial ist, wenn man denn wirklich Ressourcen schonen möchte. Daher werden wir hier vermutlich erst in ein bis zwei Jahren soweit sein.