Die Rückkehrerin

Von Mitte 2016 bis Ende 2018 nahm sich Marlene Gomez-Islinger eine Auszeit vom Triathlon, um in den USA zu studieren. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland beschloss sie, noch einmal anzugreifen. Es war ein halbes Jahr lang ein schwieriges Unterfangen, dass einige Momente bereit hielt, in denen die 27-Jährige auch hätte scheitern können.

Marlene Gomez-Islinger
Es hätte sich falsch angefühlt, wenn es das mit dem Sport gewesen wäre
Marlene Gomez-Islinger

Wenn man mit Marlene Gomez-Islinger über ihre Karriere spricht, über ihren Weg der vergangenen Jahre, über ihre Wettkampfziele und ihre Wettkampfergebnisse, dann spricht sie selten in der Ich-Perspektive. Stattdessen wählt sie die Wir-Perspektive, die Marlene-Fabian-Perspektive. Fabian, mit Nachname Göggel, ist ihr Freund - und seit rund zwei Jahren auch ihr Trainer. Und es ist die Person, die einen beachtlichen Anteil daran hat, dass Marlene in den vergangenen zwei Jahren eine schöne Comeback-Story schreiben konnte. Und das hat nicht nur etwas mit Fabians Fähigkeiten als Trainer zu tun.

Von Mitte 2016 bis Ende 2018 nahm sich Marlene, zuvor immerhin schon 16. in einem Weltcuprennen, eine Auszeit vom Triathlon. Sie machte zwei Studienabschlüsse in den USA und gehörte an ihrer Universität einem Laufteam an. In den Wochen vor ihrer Rückkehr nach Deutschland kristallisierte sich der Wunsch heraus, auszuloten, was im Triathlon noch möglich ist. Den Entschluss fasste Marlene. Aber Fabian bestärkte sie darin. „Es hätte sich falsch angefühlt, wenn es das mit dem Sport gewesen wäre“, sagt die 27-Jährige. Sie wollte noch einmal angreifen, es in die erweiterte Weltspitze schaffen.

Es zeigte sich allerdings schnell, dass Wünsche das eine sind. Und die Realität das andere. Vor allem das Schwimmen fiel ihr schwer. Sie benötigte für 100 Meter 1:25 Minuten. Heute ist das ihre Durchgangszeit bei längeren Strecken. „Es war hart, sich wieder reinzuarbeiten. Es hat nicht immer Spaß gemacht, es war oftmals sogar frustrierend“, sagt Marlene. Es gab viele Momente, in denen sie ans Aufgeben dachte, sich Stellenausschreibungen anschaute, sich überlegte, Bewerbungen zu schreiben. Ohne den Einfluss, ohne das gute Zureden, das Überzeugen von Fabian wäre sie heute wohl nur noch Hobby-Athletin. „Dass ich den Fokus auf den Sport gelassen habe und nicht angefangen habe, zu arbeiten, das habe ich ihm zu verdanken“, sagt Marlene. Sie hätte ansonsten wohl den „Weg des geringeren Widerstands“, wie sie das ausdrückt, gewählt – und den Schritt ins Berufsleben gemacht.

Fabian ist eher der rational Denkende. Er hat Marlene, die Emotionale, mit seiner unaufgeregten Art, mit Fakten immer wieder eingefangen, wenn es Aufs und Abs gab. Und Aufs und Abs gab es in den ersten acht Monaten des Jahres 2019 einige. Es gab gute und schlechte Tage. Es gab Trainingseinheiten, die ihr Bestätigung für ihren Weg gaben. Und es gab den ersten Wettkampf, den Europacup im spanischen Huelva Ende März. Marlene belegte Rang 25. „Das war ein sehr krasser Realitätsschock“, sagt sie rückblickend: „Die Lücke zwischen mir und der erweiterten Weltspitze war zu diesem Zeitpunkt extrem.“

Aufgeben, das Comeback abbrechen, wäre zu diesem Zeitpunkt eine Option gewesen. Doch Marlene wollte diese Option nicht ziehen. Sie wollte weitermachen. Immer weitermachen. Und dieses Durchhaltevermögen, es sollte sich auszahlen. Im Juni belegte sie beim Europacup in Dnipro (Ukraine) Rang zwei. Es folgten zwei weitere Podestpätze (darunter ein Sieg) bei Continental-Cup-Rennen und im Oktober bei Weltcups in Asien die Ränge neun und zehn. Marlene war wieder zurück.

Im Endeffekt war es kein Wundermittel, das sie innerhalb von einem dreiviertel Jahr von der Stand-by-Athletin in die erweiterte Weltspitze führte. Es war das Festhalten an einem Ziel und die kontinuierliche Arbeit dafür. „Auch wenn das flapsig klingen mag: Wenn man geduldig bleibt, erreicht man seine Ziele“, sagt sie. 2020 belegte sie dann bei der WM in Hamburg Rang 22 in einem Weltklassefeld.

Genaugenommen war Marlene nicht nur zurück. Genaugenommen war sie besser als vor ihrer Auszeit.

Mittlerweile trainiert sie nicht mehr komplett alleine in Ulm, sondern mehrere Tage im Monat am Stützpunkt in Potsdam, profitiert von der Trainingsgruppe um Laura Lindemann. Und ein Ziel, das im Sommer 2019 noch schier unrealistisch erschien, scheint nun möglich: eine Teilnahme an den aufgrund der Corona-Pandemie auf den kommenden Sommer verschobenen Olympischen Spiele in Tokio. Ende Mai geht es in einem internen Qualifikationsrennen um den zweiten deutschen Startplatz. „Es ist realistisch, dass ich mich vorne mittummel“, sagt Marlene und fügt an: „Vor einem Jahr hätte ich das so nicht gesagt.“